In der öffentlichen Wahrnehmung hat sich während der letzten 2 Jahrzehnte ein Paradigmenwechsel vollzogen: Die Investoren haben die Unternehmer in den Schatten gestellt.
Das kann man leicht erkennen, wenn man aktuelle Berichte in Zeitungen, Radio, TV oder Online-Berichte beobachtet: "Namhafte Investoren steigen bei Immobiliensuche ein. – Große Banken und Fonds als Investoren bei Hypo Alpe Adria. Microsoft Investoren drängten auf Rückzug von Bill Gates."
Versuchen Sie es selbst und geben Sie das Wort "Investoren" bei Google ein: 4,56 Millionen Ergebnisse! Machen Sie bitte dasselbe mit dem Wort "Unternehmer": 0,57 Millionen Ergebnisse. Das ergibt eine Media Coverage von 8: 1 für die Investoren.
Warum redet man in der Öffentlichkeit in den letzten Jahren mehr und mehr über Unternehmer, sondern über Zinssätze oder Kapitalerträge? Wohin sind die ökonomischen Kultworte der Siebziger und Achtziger Jahre - "Unternehmer" und "Bruttonationalprodukt" - verschwunden?
Kein Zweifel. Die Investoren sind wichtiger als die Unternehmer geworden – zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung.
Investoren und Unternehmer? Ist das nicht ohnehin das Gleiche?
Ganz im Gegenteil. Die zunehmende Verwechslung von Unternehmern und Investoren und der synonyme Gebrauch dieser beiden Begriffe haben fatale Konsequenzen. Eine Tatsache, die Professor Fredmund Malik schon im November 2000 erkannt hat: "Die Verwechslung von Unternehmern und Investoren führte zu einer Verfälschung der Grundideen der Unternehmensführung."
Es ist keineswegs ein Zufall, dass die Verschiebung des öffentlichen Interesses von den Unternehmern auf die Investoren während der letzten 20 Jahre mit der zunehmenden Abkoppelung der Finanzwirtschaft von der Realwirtschaft zusammenfällt. Nicht mehr die Chefs, die mit Leib und Seele an der Firma hingen, sind heute die unternehmerischen Leitfiguren, sondern die Handlungsreisenden des anonymen Kapitals. Die Unternehmen werden mehr und mehr auf eine Geldgröße reduziert.
Was sind also die fundamentalen Unterschiede zwischen Investoren und Unternehmer? Alle Unternehmer sind auch Investoren. Aber sind alle Investoren auch Unternehmer? Es wird so behauptet und berichtet. Aber es ist falsch. Der Unternehmer will ein überlegenes Produkt oder Dienstleistung herstellen und mit Gewinn verkaufen. Um dieses Ziel zu erreichen, hat er unablässig den Markt, seine Kunden und den Nutzen seines Produktes im Auge. Der Unternehmer orientiert sich also am Kundennutzen, um Gewinn zu erzielen. Der Investor hingegen orientiert sich ausschließlich am Shareholder Value, ein überragender Kundennutzen ist keine Bedingung für Kursgewinne, manchmal ist es sogar umgekehrt. Denn mit Mergers & Acquisitions lässt sich oft kurzfristig mehr Geld machen, als mit der Optimierung des Kundennutzens. Die primäre Zielsetzung des Investments ist es, Gewinne zu maximieren. Das ist es auch, was der Investor als Geldgeber von den Unternehmen erwartet. ROI ist der key issue, sonst nichts. Der Investor ist Experte für Kredit und Geld. Er hat sein Auge unablässig am Börsenkurs, er beobachtet den Börsen-Ticker. In vielen Fällen agiert der Investor für anonyme Fonds, deren einzige Aufgabe es ist, den Gewinn zu maximieren. Ein Investor muss nichts von Unternehmensführung verstehen. Sein Focus liegt auf Papieren, wie Aktien, Schuldverschreibungen, Derivate, Staatsanleihen, etc. Wenn Schwierigkeiten auftreten, kann er die Papiere verkaufen. Die Unternehmer hingegen sind "Kümmerer". Sie kämpfen bei Schwierigkeiten, sie kümmern sich, sie denken in Generation, sie sind "Allwetter-Typen." Sie brauchen Märkte und Kunden, sie brauchen nicht unbedingt eine Wertpapierbörse, sie orientieren sich an der Marktposition statt am Börsenkurs, sie kümmern sich permanent. Unsere Marktwirtschaft braucht Investoren ebenso wie Unternehmer. Denn ein Unternehmer ohne Investitionsmittel kann nichts unternehmen und ein Investor ohne Unternehmen wird sich auf derivative Finanzprodukte konzentrieren, die keine reale Wertsteigerung bewirken. Oder auf Staatsanleihen, für welche die Steuerzahler automatisch die Haftungen übernommen haben.
Unternehmer? Was ist das?
Manche Menschen verfügen über jene speziellen, "magischen" Eigenschaften, die die Basis sind, um große und dauerhafte Geschäftsbeziehungen – manchmal praktisch aus dem Nichts - aufzubauen. Was sind die wesentlichen Überlegungen dieser Menschen? Wie inspirieren diese Unternehmer ihre Kunden und ihre Mitarbeiter?
Einstellung : das unternehmerische Fundament, auf dem alles aufbaut
Unternehmer übernehmen Verantwortung. Im Gegensatz zu manchen Managern, die Reden halten wie diese: "Die Stagnation unseres Unternehmens ist auf die Wirtschafts- und Finanzkrise zurückzuführen." Unternehmer reden sich nicht auf die Eurokrise oder das schlechte Wetter aus - und sie kümmern sich nicht, ob ihre Mitarbeiter Krawatten tragen - es sei denn, sie sie arbeiten in einer Bank. Unternehmer wissen, dass sie nicht anderen Menschen die Schuld für Schwierigkeiten im Unternehmen geben können. Warum nicht? Wer anderen Menschen die Schuld für ein Problem gibt, verliert die Kontrolle über das Problem. Und ohne Kontrolle kann man nicht verantwortlich sein. Klagen und Beschwerden verändern nichts. Unternehmer haben Prinzipien, sie haben individuelle Grenzen, die sie nie überschreiten würden.
Chancen: Nur eine Idee mit Käufern ergibt eine gute Geschäftsidee
Erfolgreiche Unternehmer haben nicht nur die richtige Einstellung, sie erkennen und nutzen die richtige Gelegenheit. Viele Menschen laufen mit guten Ideen herum. Aber die entscheidende Frage ist: Bringt die Idee auch Kunden? Eine Idee kann gut sein – aber wenn keine Kunden kommen, dann ist es kein Business. Eine Geschäftsidee ist also eine Idee plus Kunden. Es geht nicht darum, eine Erfindung zu machen. Die meisten der großen Innovationen entstehen nicht aus Heureka- Momenten. Gute Geschäftsideen sind inspirierend und begeistern das ganze Team. Im Dezember 1986 macht Diplomkaufmann Klaus Darbo, Eigentümer und Geschäftsführer eines kleinen Tiroler Familienunternehmens, welches mit einem Umsatz von umgerechnet 6,5 Mio. Euro vorwiegend die Gastronomie mit Marmelade in Großgebinden beliefert, bei einer Unternehmenstagung in Pertisau am Achensee sinngemäß folgende drei Statements: Erstens: Unsere Konkurrenz ist die Hausfrau, die ihre eigene Marmelade produziert. Unsere Naturrein Konfitüre muss daher mindestens so gut sein wie die selbstgemachte Marmelade der Hausfrau. Zweitens: Unsere Markenartikel müssen mindestens um ein Drittel teurer sein als eine durchschnittliche Marmelade nach dem Einzelhandelspanel von AC Nielsen. Und doppelt so gut. Drittens: Wir werden jedes Jahr in Produktentwicklung und Marketing investieren, um diese Ziele zu erreichen. Fazit: Heute, mehr als 25 Jahre später, wird das Unternehmen in der vierten Familiengeneration geführt. Die Familie Darbo und das Team in Stans behaupten sich erfolgreich gegen Konzerne, die um ein Vielfaches größer sind. Der Umsatz der Darbo AG hat sich ver-achtzehn-facht und beträgt heute ca. 120 Mio. Euro, der Marktanteil bei Marmelade liegt bei ca. 60 % und knapp die Hälfte der Produktion werden exportiert.
Fokus: Unternehmer wissen, was wirklich wichtig ist und sie bleiben dabei, ohne sich zu verzetteln.
Worauf konzentriert sich Ihr Unternehmen? Wofür steht Ihr Unternehmen? Die meisten Mission Statements lauten etwa folgendermaßen: "Wir sind ein innovatives Unternehmen, verdienen hohe Renditen und beschäftigen Menschen mit hoher Qualifikation…" Diese Statements begeistern nicht und sind nicht fokussiert. Gewinn verbessern, Kundenzufriedenheit verbessern und gut zur Umwelt sein? Das ergibt noch kein inspirierendes Leitbild. Ein Unternehmen braucht einen Schwerpunkt. Wozu gibt es das Unternehmen? Ein tolles Beispiel ist das Leitbild von Disney. Was ist deren Leitbild? "Wir sind ein globaler Anbieter von Zeichentrickfilmen?" Nein. Das Disney Leitbild lautet: "Wir sind hier, um die Menschen glücklich machen"! Einfach, klar, motivierend. Daran kann man Entscheidungen ausrichten. Was macht Aktionäre glücklich? Profit. Was macht Mitarbeiter glücklich? Ihre Aufgabe. Aber sie wollen auch stolz sein auf das Unternehmen, für das sie arbeiten. Machen Sie es inspirierend. Machen Sie sich ein Bild von Ihren Kunden. Schaffen Sie sich imaginäre Kunden und nehmen sie diese zu jeder Vorstandssitzung mit. Was würden Ihre virtuellen Kundentypen A, B oder C sagen über Ihre Entscheidungen. Wer sind die verschiedenen Prototypen der Kunden, die Ihre Produkte kaufen? Geben Sie ihnen einen Namen. Sind sie männlich oder weiblich, jung oder alt? Was essen sie? Wo arbeiten sie? Woran glauben sie? Welche Produkte verwenden sie? Jenö Eisenberger, einer der Pioniere im Lebensmittelhandel, gab mir vor langer Zeit, Mitte der Achtziger Jahre, folgende Lektion, die ich nie vergessen werde: "Wenn Sie ihren Job richtig gut machen wollen, dann müssen sie alles wissen über ihre Kunden, sogar welches Klopapier die verwenden."
Organisation: Unternehmer suchen und finden gute Leute – und laufen nie im Hamsterrad
Unternehmerische Menschen können andere Menschen zu Leistungen motivieren, die sie nie zu erreichen geträumt hätten. Unternehmer blicken auf die Einstellung und weniger auf die Fähigkeiten einer Person. Die Einstellung ist es, was sie beurteilen. Fähigkeiten kann man trainieren, aber Einstellungen sind schwer zu ändern. Der Unternehmer definiert klare und faire Erwartungen und überlässt es seinen Mitarbeitern, wie sie die Ziele erreichen. Ein guter Unternehmer hat eine hohe Glaubwürdigkeit. Gute Unternehmer sind Meister der Delegation. Arbeiten wie ein Hamster im Rad? - Das ist kein Geschäftsmodell - das ist ein potentieller Herzinfarkt! Große Unternehmer haben ein Geschäftsmodell entwickelt, das auch funktioniert, ohne dass sie sich permanent in das tägliche Geschäft einmischen müssen. Der Aufbau eines guten Teams und einer Marke ist der Fokus. Denn das ist es, was die Kunden sehen. Unternehmer bauen Teams.Kommunikation: Unternehmer kommunizieren effektiv und sind offen für Mitarbeiter und Kunden
Alles, was einer ihrer Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter tut, kommuniziert etwas über ihr Unternehmen. Stellen Sie sicher, dass Ihr Unternehmen richtig kommuniziert. Manche Chefs sagen "Meine Tür steht immer offen". Dies kann stimmen. Aber um zu dieser offenen Tür zu kommen musst du zum Empfang gehen, die Security passieren, in den Lift einsteigen, in die oberste Etage fahren, dich dort bei der Rezeption anmelden, und wirst dann von der Assistenz zuerst durch das Vorzimmer geführt und schließlich in das Office. Was ist die Konsequenz? Zum CEO kommt nie jemand ins Büro, den er/sie nicht schon vorher kennt. Wie bekommt sie/er ungefilterte Informationen? Wie bekommt er/sie neue Ideen? Versuchen Sie als Unternehmer, ein Kunde Ihres eigenen Unternehmens zu sein. Machen sie Store Checks in ihrem eigenen Unternehmen. Verstehen Sie Ihre Rolle: Als Unternehmer sind Sie der Leader des Unternehmens. Jeder muss klar verstehen, was sie sagen wollen. Kommunizieren sie so, dass Sie jeder Ihrer Mitarbeiter versteht, kommunizieren Sie, wofür Sie und Ihr Unternehmen stehen.
Walter Schönthaler