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Als das Wie das Was überholte

Als das Wie das Was überholte

Als das Wie das Was überholteBevor FRANZ! kam, regierte ZNARF in der Marketingwelt.
      Znarf war die Kunst der Werbung. Dann kam Franz! – und aus der Kunst der Werbung wurde die Werbung der Kunst. Franz und Znarf waren so unterschiedlich wie Yin und Yang. In der Vor-Franziskanischen Periode, in den Fünfziger- und Sechzigerjahren, regierte Znarf in der Werbung.
      Das ZNARF-Prinzip (im Amerikanischen auch AIDA-Prinzip) funktionierte so: Zielgruppe definieren – Nutzen verbalisieren – Aufmerksamkeit schaffen – Rundfunk (monopolstaatlich) buchen – Fernsehen (monopolstaatlich) buchen. Znarf konnte von Herrn und Frau Österreicher verstanden werden, weil es auf der Schablone der zeitgemäßen Mainstreamwerbung surfte. Znarf war in der sozio-militärischen Zielgruppenstrategie der Fünfziger und Sechzigerjahre beschreibbar. Bei Znarf stand der Produktnutzen im Vordergrund, der Consumer Benefit: "Humanic passt immer!"
      Aber dann kam Franz! Und stellte alles auf den Kopf. Franz machte nicht mehr das Richtige. Franz machte das Falsche – das aber richtig. Also richtig falsch. So wurde durch Franz! das Falsche zum Richtigen. Anfang der Siebzigerjahre, in der Zeit des Wirtschaftsbooms, stieß der neue Werbeleiter Horst Gerhard Haberl zu Humanic. Mit Haberl kam Franz! "Franz! hat USP" stammelten die Creative Directors der schicken großen Werbeagenturen in ihrem alpinpannonischen Austrodenglisch ehrfurchtsvoll, wenn in den beiden ORF-Programmen des staatlichen Monopolfernsehens der Werbeblock durchgeschaltet wurde. Mit "USP" meinten sie natürlich die Abkürzung für "Unique Selling Proposition", das einzigartige Produktversprechen. Franz! hatte jede Menge USP, aber keinen Consumer Benefit. Franz! war reklamische Anarchie.
      Franz! war eine Provokation für viele Landsleute: "Welcher Vollidiot von einem Direktor hat denn die Reklame für das Fernsehen gemacht!? So was Vertrotteltes habe ich noch nie gesehen. Und das sich dafür Menschen hergeben, ist mir unverständlich. Die müssen einen Klopfer haben. Jedenfalls reif für die Psychiatrie" (Leserbrief aus dem Franzjahr 1974, zitiert aus der Diplomarbeit von Andrea Doczy, 2009).
      Franz war das Symbol seiner Zeit, der Siebziger- und Achtzigerjahre. Hinter Franz standen keine Marketingmenschen, sondern Künstler, wie Horst Gerhard Haberl, Assistent in der Neuen Galerie in Graz und Werbeleiter bei Humanic. Zu den weiteren Franziskanern gehörten die Künstler Roland Goeschl, H.C. Artmann, Otto M. Zykan, Anselm Glück, Wolfgang Bauer, Andreas Okopenko, Gerhard Rühm, das Radiogenie Axel Corti und viele andere Querdenker. Franz! Der schallgedämpfte Schrei der Siebziger -und Achtziger Jahre. Franz war der neue Nic-Name für humanicianische Kunst. "Cum a hin!" schallte es bald aus den TV-Glotzen und den Ghettoblastern – und merkwürdige Bilder waren zu sehen. Explodierende Schuhschachteln, Haare, die sich zu Füßen auftürmten, Krokodile im Swimmingpool, Berge, die keine Menschen brauchen – ein Skandal! Franz bescherte den Shoemanischen Fetischismen öffentliche Orgasmen im Staatsfernsehen. Znarf, der Vorgänger und anagrammatischer Zwillingsbruder des Franz hingegen sah alt aus gegen Franz! Znarf und Franz – das waren zwei verschiedene Paar Schuhe, die so verschieden waren wie die österreichische Gesellschaft der fünfziger und der siebziger Jahre. Verschieden wie das Was und das Wie.
      Franz war das Wie, das das Was überholte. Kunst als Werbung. Ein frecher, unverschämter Paradigmenwechsel im Marketing. In den Franz!iskanischen Jahren der Siebziger des vorigen Jahrhunderts, als die Studenten mit Seesäcken, Stirnbändern und Vollbärten mit Interrail nach Piräus reisten, um auf dem Deck der Fährschiffe die letzten Hippiereservate von Ios und Naxos zu suchen.

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Mag. Walter Schönthaler , Jahrgang 1954, ist Marketingleiter des TÜV Austria und Adjunct Professor an der Webster University. Der Marketingexperte war Vorstand der Manner AG und Geschäftsführer von Markenartiklern wie Felix-Austria, PEZ und Darbo sowie der Werbeagentur GGK.